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BGE 121 I 30: Kein Recht auf öffentliche Gerichtsverhandlung


Das Bundesgericht hat die Anwendbarkeit des Öffentlichkeitsgrundsatzes von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf ein Baubewilligungsverfahren offengelassen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung ein fundamentales Prinzip dar, das nicht nur für den Einzelnen wichtig ist, sondern ebenso sehr als Voraussetzung für das Vertrauen in das Funktionieren der Justiz erscheint.

Art. 6 Ziff. 1 EMRK verleiht dem Einzelnen einen Anspruch, seine Argumente mündlich in einer öffentlichen Sitzung dem Gericht vorzutragen. Zwar erwähnt Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Mündlichkeit nicht ausdrücklich. Diese ist jedoch unentbehrliche Voraussetzung für die Teilnahme der Allgemeinheit an einem Verfahren.

Dennoch gibt es Ausnahmen von der Öffentlichkeit im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit oder wenn die Interessen von Jugendlichen, der Schutz des Privatlebens von Prozessparteien oder die Gefahr der Beeinträchtigung der Rechtspflege es gebieten.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erachtet überdies gewisse Einschränkungen des Öffentlichkeitsprinzips im Rechtsmittelverfahren als konventionskonform. So entschied er, dass eine Rechtsmittelinstanz, die auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt sei, im schriftlichen Verfahren entscheiden bzw. unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln könne, sofern in erster Instanz eine öffentliche Verhandlung stattgefunden habe.

In jüngsten Entscheiden hat der Europäische Gerichtshof angedeutet, dass die Durchführung eines schriftlichen und damit nicht öffentlichen Verfahrens ausnahmsweise selbst dann konventionskonform sein könnte, wenn der Rechtsuchende bei der Vorinstanz keine Gelegenheit hatte, seine Sache öffentlich vor Gericht vorzutragen.

Ferner ist zu beachten, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs i.S. Schuler-Zgraggen vom 24. Juni 1993 es für zulässig erachtete, in gewissen Fällen trotz Vorliegens eines entsprechenden Antrags von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abzusehen.

Das Urteil finden sie hier.

(Stand: 06.06.2022)