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Automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung

Beitrag von ft

AFV

Das Bundesgericht kommt in einem heute veröffentlichten Urteil zum Ergebnis, dass die im Kanton Thurgau eingesetzte automatische Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV; d.h. die Nummernschilderkennung) über keine genügende gesetzliche Grundlage verfüge und deshalb die damit erfassten Beweise "tendenziell nicht verwertet werden dürfen". Das Obergericht muss nun den alten Fall neu beurteilen.

Im September 2016 wurde einem Automobilisten der Führerausweis auf unbestimmte Zeit entzogen. Zwischen Oktober und Dezember 2016 hatte dieser dann dreimal ein Fahrzeug gelenkt und wurde von der automatischen Nummernschilderkennung der Kantonspolizei Thurgau erfasst. Dies führte zu einem Strafverfahren. Das Obergericht des Kantons Thurgau stellte im Urteil RBOG 2018 Nr. 1 fest, dass die automatische Nummernschilderkennung über eine genügende gesetzliche Grundlage verfügt und deshalb zulässig ist (Urteil-TG). Das Bundesgericht kommt im heute veröffentlichen Urteil 6B_908/2018 (Urteil-CH) zum gegenteiligen Ergebnis: Es geht davon aus, dass keine genügende gesetzliche Grundlage zur Nummernschilderkennung vorliege, weshalb die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückgewiesen wird.

  • Es ist erfreulich, dass das Bundesgericht dem Datenschutz einen hohen Stellenwert beimisst.
  • Das Urteil erfolgte aufgrund der Eingaben der Parteien im Strafverfahren.
  • Das Bundesgericht geht im Urteil davon aus, dass mit der Nummernschilderkennung "die serielle und simultane Verarbeitung grosser und komplexer Datensätze innert Sekundenbruchteilen ermöglicht werde, was insofern über die herkömmliche verkehrstechnische Informationsbeschaffung und die Fahndungssysteme der bisherigen sicherheitspolizeilichen Gefahrenabwehr hinausgeht".
  • Es erkennt aber auch richtig, dass im Kanton Thurgau die Nummernschilderkennung (Anmerkung: Im Unterschied zu anderen Systemen) nach einem "hit/no hit-Verfahren" arbeitet.
  • Dies bedeutet, dass bei einem Führerausweisentzug die Halterdaten in das Kamerasystem eingegeben werden und die Polizei nur dann eine Meldung erhält, wenn das betroffene Fahrzeug vorbei fährt. Mit dem im Trefferfall übermittelten Foto wird anschliessend abgeklärt, ob ein Ausrücken erforderlich ist. Eine weitergehende Bearbeitung der Personendaten ist aufgrund des Datenschutzgesetzes des Kantons Thurgau gar nicht erlaubt und mit dem eingesetzten System technisch gar nicht möglich. Darauf geht das Bundesgericht nicht ein.

Es ist aufgrund des neuen Urteils aus Lausanne davon auszugehen, dass im Kanton Thurgau die Digitalisierung der Polizei wieder vermehrt durch die analoge Polizeitätigkeit ersetzt wird. Mit anderen Worten: Es wird in nächster Zeit sicherlich vermehrt Polizeikontrollen geben.

NACHTRAG zur Klarstellung:
- Es wurden im Kanton Thurgau keine Abgleiche mit weiteren Datenbanken gemacht!

(Stand: 23.10.2019)