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Eigene Handy-Kontakte werden an Chatprogramm weitergegeben

Beitrag von ft

Datenschutz-Grundverordnung

Das Amtsgericht Bad Hersfeld geht in einem Sorgerechtsfall auf die Problematik bei Kontakten von Jugendlichen ein (Az.: F 361/16).

Einem Kindsvater wurde die Auflage erteilt, jeglichen Kontakt der Kinder S., geb. --.08.2000, und T., geb. --.10.2005, mit Herrn V., geb. --.--.1977, zu verhindern.

Im entsprechenden Sorgerechtsstreit ging es darum, dass Kinder zwangsläufig über WhatsApp kontaktiert werden können. Das Gericht ging auf die Problematik ein, dass WhatsApp (und diverse andere Messenger-Dienste) verlangen, dass alle Handy-Kontakte zum Messenger-Anbieter übermittelt werden, damit diese Kontakte vernetzt werden können. Im konkreten Fall ging es um das Problem, dass wenn ein Erwachsener, der den Kindeseltern bekannt ist, von sich aus Kontakt zum minderjährigen Kind aufnimmt und dabei versucht, mit dem Kind über digitale Messenger Text- und Bild-Kommunikation mit sexuellem Inhalt („Sexting“) zu führen, die Eltern verpflichtet sind, diesen Kontakt zu unterbinden. Unter Umständen müssen die Eltern die Messengerdienste auf dem Smartphone des Kindes entfernen.

Das Gericht geht im Urteil bereits auf die Bestimmungen zur neuen EU Datenschutz-Grundverordnung (EU DSGVO) ein und stellt hinsichtlich des Datenschutzes fest:

Schon die Preisgabe aller eigenen Kontakte bzw. digital gespeicherten Telefonbuchdaten an ein Unternehmen mit Hauptsitz ausserhalb des europäischen Rechtsgebiets (...) stellt nach hiesiger gerichtlicher Einschätzung eine Entscheidung dar, deren Bedeutung und Tragweite eine Person unter 16 Jahren im Allgemeinen noch nicht überschauen kann. Die Zwangsvernetzung mit allen Personen, welche im eigenen Smartphone mit Telefonnummer hinterlegt sind - gleich aus welchem Grunde und mit welcher persönlichen Beziehung dies der Fall ist, z.B. ob die andere Person eng befreundet oder nur entfernt bekannt ist, oder ob im minderjährigen oder erwachsenen Alter befindlich - sowie die dann noch in der App an alle diese Kontakte gleichermassen und automatisch herausgegebenen persönlichen Informationen - z.B. betreffend das in der Anwendung eigens bereit gestellte Profilfoto, den jeweils letzten Online-Status und die nach Voreinstellung ("Default") grundsätzlich automatisch erteilten Lesebestätigungen - stellen eine massive Beeinträchtigung der Privatsphäre dar.

Hinzu kommt noch, dass auch der für die Installation notwendige Schritt, die im eigenen digitalen Telefonbuch gespeicherten Kontakte und Telefonnummern an eine dritte Stelle - konkret an den Betreiber WhatsApp Inc. mit Sitz in den USA ohne zugleich vorhandene Niederlassung in Europa - auf einmal und sodann fortlaufend herauszugeben, eine jeweils kritische persönliche Entscheidung ist, durch die die Rechte aller hinterlegten Kontaktpersonen in Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre beeinträchtigt sein können.

Es ist derzeit weiterhin unklar, wie die europäischen Gerichte und Behörden die mögliche Datenschutzverletzung konkret handhaben werden. Es ist einerseits kaum davon auszugehen, dass eine Person, die Ihre Telefonkontakte heraus gibt, von allen gespeicherten Telefonkontakten die Einwilligung hat, diese weiter zu geben. Andererseits kann bereits die Bekanntgabe von eigenen Personendaten datenschutzrechtlich problematisch werden. Das Urteil zeigt, dass das neue Datenschutz-Regelwerk der EU bei der Verwendung von Messenger-Applikationen zu Datenschutzverletzungen führen kann, ist aber fallbedingt leider datenschutzrechtlich noch nicht genügend konkret.

Da der Einsatz von Messerger-Applikationen datenschutzrechtlich unter verschiedenen Gesichtspunkten problematisch sein kann, sollten Schulbehörden (und Eltern) davon absehen, die eigenen Schülerinnen und Schüler zum Gebrauch von WhatsApp zu verpflichten.

Das Urteil finden Sie hier.

(Stand: 05.06.2018)