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EMRK: Unfallversicherer darf nicht mehr überwachen

Beitrag von ft

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Das Bundesgericht hat es bisher erlaubt, dass die Invaliden- und Unfallversicherungen in privat einsehbarem Umfeld die Versicherten überwachen dürfen. Das wurde nun vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verboten. Es fehle an der nötigen gesetzlichen Grundlage zur Überwachung (Application no. 61838/10).

Das Bundesgericht vertrag bisher die Ansicht, dass die Invaliden- und Unfallversicherungen in der Öffentlichkeit (beispielsweise auf Balkonen) die Versicherten überwachen dürfen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kommt nun zu einem entgegengesetzten Urteil. Aus menschenrechtlicher Sicht wird festgehalten:

  • Eine private Versicherungsgesellschaft, welche vom zuständigen Bundesamt Leistungen aus der Grundversicherung erbringen darf, sei ähnlich wie eine Behörde zu behandeln und habe deshalb die verfassungsmässigen Grundrechte zu beachten.
  • Der Gerichtshof weist darauf hin, dass der in Art. 8 EMRK genannte Begriff des "Privatlebens" weit gefasst werden müsse.
  • Diese in Art. 8 EMRK vorgesehene Garantie diene in erster Linie dazu, die Entwicklung der Persönlichkeit jedes Einzelnen in seinen Beziehungen zu anderen Menschen ohne äussere Einmischung zu gewährleisten.
  • Im konkreten Fall handle es sich um eine systematische und vorsätzliche Überwachung, indem eine Versicherte während vier Einsätzen über einen Zeitraum von insgesamt 23 Tage gefilmt und beobachtet wurde.

Für eine solche Überwachungsmassnahme fehle es an einer genügenden gesetzlichen Grundlage. So werde in den Artikeln 28 und 43 ATSG nicht festgelegt,

  • wann eine Überwachung zulässig sei,
  • unter welchen Bedingungen eine Überwachung zulässig sei,
  • wie lange und intensiv eine Überwachungsmassnahme dauern dürfe,
  • wie lange die gesammelten Daten aufbewahrt werden dürfen,
  • wie die Löschung der Daten überwacht werden müsse,
  • wie sich die betroffene Person zur Wehr setzen könne und
  • wie die (privaten) Überwacher ausgebildet sein müssten.

Zur weiteren Überwachung müsste der Gesetzgeber also einerseits die Überwachung regeln und andererseits Regelungen über die Ausbildung von privaten Überwachungsgesellschaften erlassen.

Das Urteil finden Sie hier.

(Stand: 19.10.2016)